Fragen&Anmerkungen Lagerböcke der Hinterachse,Passat 3BG

Hallo Schrauber,

ich wollte hiermit nochmal meine Erfahrungen mit dem Wechsel der Lagerböcke an der Hinterachse meines Passats zusammenfassen (Details siehe hier: http://www.passatplus.de/arbeitshilfen/fahrwerk/hinterachse/ ). Mit meinen zwei neuen Lagerböcken der Firma AIC Germany bin ich hoch motiviert in meine Mietwerkstatt gefahren. Die alten Böcke gingen ohne Probleme raus, wobei die Achse abgestützt werden sollte. Dann habe ich angefangen, die neuen Böcke zu montieren. Dabei habe mich schon gewundert, dass sich die beigelegten Schrauben des Lagerbockes beim Reindrehen so weich anfühlten. Der Drehmomentschlüssel stand auf 110 Nm und die erste ging gerade so rein bis zum Auslösen. Bei der zweiten Schraube machte es vor Erreichen des Drehmoments knack, und zwar nicht am Drehmomentschlüssel. Dabei ist doch tatsächlich die neue Schraube abgerissen . Die andere habe ich wieder ausgebaut und auch bei dieser sind bereits massive Dehnungen zu erkennen (siehe Grafik unten). Da kamen plötzlich Erinnerungen an meinen ersten Passat mit Baujahr 1985 hoch, an dem mir einer der damals verbauten Stehbolzen des Lagerbocks abgerissen ist. Diesmal hatte ich jedoch Glück, dass noch genügend Gewinde rausgeschaut hat und ich dieses mit einer Zange rausdrehen konnte.

Natürlich hatte der nahe gelegene VW-Händler keine dieser Schrauben auf Lager. Das Einzige was ich somit erneuert habe sind die beiden Muttern, die sich jeweils auf der Schraube zwischen Lagerbock und Achskörper befinden. Nun habe ich allerdings Angst, dass es sich bei den alten Schrauben um Dehnschrauben handelt und diese nun "vorgeschädigt" sind (drei Stück je Lagerbock und je eine für Hinterachse-Gummimetallager). Auf jeden Fall hatten die alten Schrauben eine wesentlich höhere (gefühlte) Festigkeit, obwohl es sich bei den alten und bei den neuen des AIC Reparatursatzes um 10.9er handelt. Die alten waren noch nicht verrostet. Die Inhaber der Mietwerkstatt haben mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Die alten Schrauben wären in einwandfreiem Zustand und sie hätten diese ebenfalls wieder eingebaut. Was meint Ihr? Allerdings hatten die auch noch nie Probleme mit neuen beigelegten Schrauben. Sie waren der Meinung, dass es sich bei AIC Germany um ein Billigprodukt handelt.

Anmerkung: Der Händler (Bandel Autoteile) hat mir interessanterweise ganz schnell 15 € erstattet. Es kann auch sein, dass die Schrauben vom Händler beigelegt wurden und gar nicht von AIC selbst stammen.

Stell mal ein Foto vom Schraubenkopf ein, vielleicht erkennt man ein Herstellerkürzel

Ich verwende bei Achsteilen aus dem Zubehör ungerne die beiliegenden Schrauben, die schauen oft optisch schon billig aus, und ich bezweifle daß die Lieferanten von Billigteilen wie AIC kaum hochfeste Schrauben aus Beständen nach VDA XYZ zertifizierten Betrieben einpacken.

Habe selbst mal in der QS eines Schraubenherstellers gearbeitet und weiss wie penibel die Autohersteller sind wenn es um Erstausrüstung ans Band geht.

Ganz ehrlich, hoffentlich hast du genug Erfahrung gesammelt und lässt in Zukunft die Finger von fragwürdigen Händlern.
Wo soll der Preisunterschied her kommen wenn nicht am Material gespart wird.
Fahr zum Örtlichen Teilehändler und lass den Internetkram dort wo er ist.

Hallo!

Also ich selbst verwende in meiner Nebenberufs-Werkstatt, wenn ich an Autos aus dem VW-Konzern tätig bin, sag mal zu 75 % Originalersatzteile. Direkt von VW. Besonders bei problematischen Teilen.
Ich kann mich da erstens 100 % darauf verlassen, dass die Teile passen.
Bekomme die kostenlos angeliefert. Wenn ich mal ein Problem habe, bekomme ich kostenlos Hilfe.
Kann mir auch Spezialwerkzeug ausleihen.

Also zusammengefasst, je nach Geschäftsmodell, (ich versuche sehr ordentlich zu arbeiten), (was lange hält bringt weniger Geld, aber zufriedene Kunden), ist das schon eine gute Alternative zum freien Teilemarkt. Und teilweise preislich für freie Werkstätten gar nicht mal so schlecht.


Ich werde das auch weiter so machen, weil ich da auch selbst mit meiner Arbeit zufrieden bin und keinen Ärger habe.

Ich würde bei solchen Dingen nach RLF arbeiten und neue Schrauben dann verwenden, wenn der RLF das sagt. Und neue Teile original vom Hersteller. So wie die Schrauben sind wahrscheinlich auch die Lagerböcke.
hg
Herbert

Mit OE Teilen ist es immer so eine Sache, vor allem wenn man den Zeitwert vom Auto und den Preis der OE Teile gegenüber stellt, da hat man schnell einen wirtschaftlichen Totalschaden.

Und beim örtlichen Fachhandel bekommt man leider auch immer öfter hochpreisigen Kernschrott, selbst bei Marken wie TRW oder Lemförder habe ich schon in die Toilette gefasst.

Schrauben ab Festigkeit 10.9 kaufe ich aber grundsätzlich nur Original.

Rüdi hat folgendes geschrieben:

Stell mal ein Foto vom Schraubenkopf ein, vielleicht erkennt man ein Herstellerkürzel

Leider ist gar nichts zu sehen auf dem Schraubenkopf (außer "10.9"), auch nicht zwischen Unterlegscheibe und Kopf.

Das Internet würde ich nun nicht gerade verteufeln. Der lokale Teilehändler verkauft auch nur das, was man auch online bekommt. Die Marke ist eher entscheidend. Ich dachte eben, dass ein deutscher Hersteller nun mal keinen Mist baut. Bis jetzt vermute ich aber nach wie vor, dass der Teilehändler selber die Schrottschrauben beigelegt hat und nicht AIC. Der Lagerbock selber sah nämlich gar nicht so schlecht aus. Bei den Billigteilen erkennt man es meist am Gummi, wenn das nichts taugt. Bisher hatte ich mit meinen Ersatzteilen noch nie Probleme bis auf eine Spannrolle von Ina für den Keilrippenriemen der Klimaanlage. Und wenn ich an die Kurbelwellenschraube beim 1z, den Sechskant der Ölpumpe beim Passat 3C oder an die originalen Schrottfedern beim Audi A2 denke, ist bei VW/Audi auch nicht alles Gold was glänzt.

Stellt Euch mal vor, die eine Schraube wäre nicht abgerissen und ich wäre mit den neuen, lang gezogenen Schraubenköpfen herum gefahren. Das hätte zumindest einen tollen Rechtsstreit ergeben, wenn meine Familie und ich es überlebt hätten.

Eine Frage hätte ich noch: Soll ich nun die Schrauben nochmal gegen neue von VW tauschen? Sind das Dehnschrauben oder nicht? Die Schrauben werden laut Reparaturleitfaden mit 110 bzw. 120 Nm plus 90° angezogen. Falls ja: Bedeutet ein zusätzlicher Drehwinkel beim Anziehen grundsätzlich, dass es sich um Dehnschrauben handelt?

Ja.
Eigentlich müßte im RLF stehen, ob die Schrauben erneuert werden sollen. Es gibt Dehnschrauben, die mehrfach verwendbar sind, dann wird aber ein Limit für die Länge angegeben.
hg
Herbert

Wenn du zu 100% sicher gehen willst, dann hol die neu, ich habe die bei Passat & Co schon öfter erneuert und diese Schrauben bisher immer wieder verwendet, problemlos.

Rüdi hat folgendes geschrieben:

Wenn du zu 100% sicher gehen willst, dann hol die neu, ich habe die bei Passat & Co schon öfter erneuert und diese Schrauben bisher immer wieder verwendet, problemlos.

So machen wir das. Die Schrauben sind bestellt und kosten 48 Euro. Morgen werde ich die einbauen. Wenn etwas passiert, ist es immer besser nach Stand der Technik eingebaute Teile im Auto zu haben.

Nochmal zu den theoretischen Grundlagen (die Maschinenbauer mögen mich bitte verbessern ). Das unten dargestellte Spannungs/Dehnungs-Diagramm (Quelle schwurbel-wiki) zeigt, wie eine Dehnschraube prinzipiell funktioniert (x-Achse = Dehnung der Schraube, y-Achse = Spannung bzw. Zugkraft pro Querschnittsfläche Schraubenschaft). Im ersten Schritt wird die Schraube mit einem vorgegebenen Drehmoment angezogen und befindet sich am Punkt Reh (obere Streckgrenze). Nun kommt der Drehwinkel ins Spiel. Durch Weiterdrehen wird die Schraube weiter gedehnt, wobei die Spannung in der Schraube bis zum Ende der Lüdersdehnung ungefähr konstant bleibt. Bis zu diesem Punkt müsste also das erforderliche Drehmoment für die Drehung nicht wesentlich höher sein (natürlich spielt auch die Reibung zwischen Schraubenkopf und Auflagefläche sowie im Gewinde eine Rolle). Setzt sich das einzubauende Teil etwas, reduziert sich die Dehnung der Schraube, wobei die Spannung aber immer ungefähr konstant bleibt (was ja der Sinn einer Dehnschraube sein soll). Die Frage ist nun, ob die Dehnschrauben der Achsen in diesem Bereich liegen sollen oder nicht. Das könnte man z. B. herausbekommen indem man das erforderliche Drehmoment für das letzte Stück des Drehwinkels ermittelt. Wird die Schraube weiter gedreht, erhöht sich mit der damit verbundenen weiteren Dehnung der Schraube die erforderliche Spannung (= mehr Drehmoment fürs Weiterdrehen erforderlich). Bis zum Hochpunkt des Grafen erfolgt die Gleichmaßdehnung. Setzt sich nun das Bauteil, reduziert sich auch die Spannung in der Schraube. Bis zu diesem Punkt ist die Verformung der Schraube reversibel (in der Theorie).

Die Frage ist nun, ob die Dehnschraube nur bei Verformung bis zum Punkt Al oder Ag erneut verwendet werden darf?

Dreht man weiter, verformt sich die Schraube, was man bei der Billigschraube sehr gut im Bereich des Schraubenkopfes und im Bereich des Gewindes zwischen Gegengewinde in der Karosserie und dem Schraubenkopf der nicht gerissenen Schraube im Bild weiter oben sehen kann (das Gewinde ist in die Länge gezogen). Dabei wurde die Schraube mit weniger als 110 Nm angezogen, geschweige denn mit 90° weiter gedreht.

Ich vermute mal, dass sich die Originalschrauben beim korrekten Einbau nah am Bereich des Einschnürungsbeginn befinden. Ich werde mal beim Einbau das erforderliche Drehmoment für das letzte Stück des Drehwinkels ermitteln und berichten.

Hallo Schrauber,

ich habe noch ein paar Neuigkeiten: AIC Germany hat auf meine Beschwerdemail geantwortet und hat sich dafür bedankt, dass ich Rückmeldung über die katastrophalen Schrauben gegeben habe. Die haben daraufhin alle Chargen überprüft und haben 380 Produkte gefunden, die diese fehlerhaften Schrauben eines externen Zulieferers enthalten haben. Daraufhin wurde bei den Händlern eine Rückrufaktion gestartet und die korrekten Schrauben nachgeliefert. Es wurde mir angeboten, die zusätzlichen Kosten für den Tausch der Schrauben zu erstatten.

Zu den neuen Dehnschrauben von VW: Den 90°-Winkel schafft man nur mit einem ordentlichen Montierhebel. Danach habe ich versucht, die Schrauben mit 200 Nm weiterzudrehen: Keine Chance. Die neuen Schrauben werden also bis fast zum Einschnürungsbeginn gedehnt (über die Streckgrenze hinaus) und sollten daher unbedingt ersetzt werden. Die Schraube zwischen Achse und Lagerbock hatte ich bei der ersten Aktion wiederverwendet und vorher mit 120 Nm plus 90° angezogen. Um diese erneut zu lösen (für den Austausch gegen die neuen Schrauben), war gerade mal eine 1/2"-Ratsche erforderlich. D. h. diese Schraube war bereits strukturell vorgeschädigt. Und da an diesen beiden Schrauben die ganze Hinterachse inklusive des eigenen Lebens hängt, sollte diese grundsätzlich erneuert werden. Es lohnt sich nicht daran zu sparen.

Danke für die Info, da lernen wir was raus.....

AIC haben mir tatsächlich die neuen Schrauben (48 €) plus Eigeneinbau in der Mietwerkstatt (20 € für 1,5 Stunden) ohne wenn und aber erstattet. Das nenne ich Service. Vor allem sollte man positiv erwähnen, dass die Firma den Fehler zugegeben hat und schnell einen Rückruf eingeleitet hat. Das ist heutzutage leider nicht selbstverständlich.