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Die Feinstaub-Katastrophe und Diesel mit Rußpartikelfilter (Fachartikel)

 
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Die Feinstaub-Katastrophe und Diesel mit Rußpartikelfilter
ulf Beitrag10-03-2007, 16:58  
Um die Feinstaubbelastung der Luft zu verringern, werden Dieselfahrzeuge mit Rußpartikelfilter (DPF, Dieselpartikelfilter) von der Politik gefordert und gefördert. Ist die Lage wirklich so schlimm oder wird da wieder einmal kräftig übertrieben? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns die berühmte Feinstaubrichtlinie der EU mal ansehen:
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31999L0030:DE:HTML

Dort steht also, daß es zwei verschiedene Messverfahren gibt (PM10 und PM2,5). Was bedeutet das?
Die Zahl hinter dem PM (particular matter) legt fest um welchen Anteil der Partikel es sich handelt. Bei PM10 sind es diejenigen welche bei einer Maschenweite von 10µm hängenbleiben und bei PM2,5 sind es diejenigen die bei 2,5µm noch hängenbleiben. Mit dem Verbindlichen Messverfahren PM2,5 dürfte es jedoch schwierig werden, die Partikel von einem DPF Fahrzeug und einem ohne zu unterscheiden, da die Filtergrenze von den Herstellern mit 3-5µm angegeben wird. Das, was nach aktuellen medizinischen Vermutungen(!) wirklich schädlich ist, lässt der DPF genau so in die Umwelt wie ein Fahrzeug ohne DPF.

"Aber in der Werbung zeigt doch der Taschentuchtest, daß der Filter auch wirkt!"
Das schon, doch die vermutlich schädlichsten Partikel passieren das Taschentuch, da seine Filtermaschen recht grob sind. Der Taschentuchtest sagt also nahezu gar nichts aus. Denn nur die Partikel die man nicht sieht (<5µm ... also auch nicht im Taschentuch), sind vermutlich die gefährlicheren.

Welche Partikelmasse darf ein aktueller Diesel PKW eigentlich ausstoßen?
Nach der EU4 Abgasnorm darf ein Diesel PKW 0,025g Partikel pro Kilometer in die Umwelt entlassen.
Bei einer Fahrleistung von 100 000km sind das gerade einmal 2,5kg, bei einem EU3 Fahrzeug ist es das Doppelte.
Das soll viel sein?
Sicher nicht, wenn man bedenkt, daß ein Auto auf dieser Strecke sicher (mindestens) einen Satz Bremsbeläge und (mindestens) zwei Satz Reifen benötigt und deren gesamte Verschleißmasse bei weit über 10kg liegen wird.
Solche Feinstaub-Partikel werden aber von jedem Fahrzeug (auch Benziner) abgeschieden. Warum fordert aber niemand einen Filter für diese Emissionen?

Auch Pflanzen-Pollen fallen unter die Kategorie Feinstaub (jeder Pollen-Allergiker wird das schmerzlich wissen). Sollen wir deshalb jetzt alle Pflanzen mit Rußfiltern zupflastern oder gar abholzen damit wir die Partikelmasse verringern?
Je nach Windrichtung wird Staub aus entfernten Regionen zu uns geweht (ausländische Industrie, Wüstensand usw.) und gemessen - und die Schuld für das Überschreiten der Grenzwerte wird vordergründig auf Dieselfahrzeuge abgewälzt, denn Autos sind ja als Buhmann in Deutschland schon traditionell salonfähig.

Sind denn die Dieselfahrzeuge wirklich der alleinige Rußerzeuger im Straßenverkehr?
Nein, denn beim Verbrennen von fossilen Brennstoffen mit Schwefelanteilen werden immer Partikel und somit Ruß entstehen.
Auch Benzin-PKWs erzeugen Ruß und Feinstaub (siehe http://www.mdpi.org/ijerph/papers/ijerph2006030038.pdf, Seite 3).
Zitat:"Konventionelle Ottomotoren zeigen daher im Teillast-Bereich (typische Fahrzyklen) sehr geringe Partikelemission, bei Lastzunahme und insbesondere bei Anfettung des Gemisches werden allerdings Partikelkonzentrationen gemessen, die dem Dieselmotor sowohl bezüglich der Partikelkonzentration als auch bezüglich des Partikelcharakters weitgehend entsprechen."
Nur gibt es beim Benziner keinen Grenzwert für den Ruß. Dort wird das Rußverhalten einfach unter den Tisch gekehrt, aber gegen den Diesel gehetzt.

In den letzten Jahren wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, um den Schwefelgehalt aller Kraftstoffe auf ein Minimum zu reduzieren (derzeit <10ppm). Das reicht aber noch nicht. Nur bei 0 Schwefel wird der Rußanteil bei der Verbrennung auch signifikant zurückgehen.

Was würde denn eine 100prozentige Rußfilter-Einbaurate in PKW und leichten LKWs an Luftverbesserung bringen?
Dazu der TÜV Süddeutschland:
Etwa 5% weniger Feinstaub!

Code:
http://www.tuev-sued.de/mobilitaet/aktuelle_meldungen/hjwioumoeusx.asp

Update: Leider ist der Link nicht mehr aktiv, der Text wurde offenbar von der TÜV-Website genommen. Ob er bestimmten Interessengruppen womöglich zu unbequem war, darf sich jeder selbst überlegen . . .

Ein anderer Link:
https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/327388/
Zitat: "Der Feinstaub hat viele Ursachen: Von 47.250 Tonnen Feinstaub entfielen im Jahr 2002 lediglich 2.542 Tonnen auf Diesel-Pkw".
Dies sind 5,4% des Gesamtanfalls an Feinstaub, die der Umwelt bei einer Rußfilterzwangspflicht für alle Diesel-PKW erspart blieben.
(Die Grafik stammt zwar aus Österreich, aber dort haben Diesel-PKW eher noch einen höheren Anteil als in Deutschland, wo demnach der Beitrag der Diesel-PKW zur Gesamt-Feinstaubmenge eher geringer als höher sein dürfte).

Die größten Feinstaub-Produzenten sind dagegen Industrieanlagen, wie der Anteil von 14.000 Tonnen oder fast 30% eindrucksvoll zeigt.
Auch die privaten Hauhalte sind mit über 16% an der Gesamt-Feinstaubmenge beteiligt.
Würde man also der Industrie und den privaten Haushalten Rußfilter aufzwingen, so könnte das Feinstaub-Problem bereits um ca. 46% gemindert werden.

Da aber der Wirtschaftsstandort Deutschland sowieso schon sehr schwach ist, dürfte keiner ein echtes Interesse daran haben, der Industrie irgendwelche weiteren Emissionsbegrenzungen aufzuerlegen, denn dann würden noch mehr Betriebe kurzerhand ins Ausland abwandern.
Und von Rußfiltern in den häuslichen Schornsteinen redet auch niemand, denn an den Gedanken müßte sich Otto Normalverbraucher erstmal gewöhnen, was entsprechende "Überzeugungsarbeit" im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung erfordern würde, also mühsam und zeitraubend wäre.

Als Autofahrer ist Otto Normalverbraucher dagegen schon
1. an die Rolle als Melkkuh der Nation gewöhnt und
2. durch permanente Umwelt-Polemik weichgekocht und schuldbewußt gemacht.
Daher ist bei der Durchsetzung des Rußfilters für Dieselfahrzeuge der insgesamt geringste Widerstand und die höchste Zahlungsbereitschaft zu erwarten.
Daß damit das Gesamtproblem im besten Fall nur um ca. 5% verringert wird, scheint keine Rolle zu spielen. Hauptsache, es wird etwas gemacht, was das Wählervolk (mit der ständig eingehämmerten Parole "Der schlimmste Umweltschädling ist Dein Auto" im Hinterkopf) spontan verstehen kann.


Warum sogar der ADAC als (angebliche) Interessenvertretung der deutschen Autofahrer diese Dinge völlig ignoriert und stattdessen brav im Rußfilter-Chor mitsingt, mögen vielleicht einmal seine Mitglieder hinterfragen.
Vielleicht traut sich der ADAC nicht, das simple Prinzip aufzuzeigen, das den Ruß besser als jeder andere Schadstoff für Polemik geeignet macht, und das er selbst mit sensationslüsternen Fotos in seiner Zeitschrift ausschlachtet?

Es ist ganz einfach das Prinzip "Verstehen duch Ansehen".

Man stelle sich einmal ein Foto wie mit den rußgefüllten Einmachgläsern vor, allerdings mit unsichtbaren Schadgasen als Inhalt, nehmen wir z.B. das tödliche CO.
Da würde also eine Gruppe optisch leerer Gläser einem Benziner zugeordnet, und ein genauso leer aussehendes Glas einem Dieselfahrzeug, das aufgrund des Luftüberschusses allgemein nur Bruchteile des CO-Ausstoßes von Benzinmotoren erzeugt.
Was würde beim Vergleich unsichtbarer Schadstoffe bzw. leer aussehender Gläser noch von dem Ekel-Effekt des Rußgläser-Fotos übrigbleiben, obwohl das Öffnen der CO-Gläser in einem geschlossenen Raum (im Gegensatz zu den Rußgläsern) u.U. sogar tödlich wirken könnte?
Antwort: Nichts.

Ruß ist dagegen in einzigartiger Weise für Ekelpolemik geeignet, denn er ist der Inbegriff von Dreck: schwarz, schmierig - und eben sichtbar!
Benziner-Giftfahnen aus teil- und unverbrannten Kraftstoffresten besonders kurz nach dem Kaltstart (da riecht es hinter dem Wagen fast wie ein geöffneter Reservekanister), oder wenn die Volllastanreicherung aktiv ist, und besonders Turbomotoren 20% oder mehr ihrer Einspritzmenge als Innenkühlung unverbrannt in die Umwelt blasen, sieht man dagegen nicht.
Der unsichtbar feine Benzinerruß wird einem bestenfalls bewußt, wenn man sich ihre Auspuff-Endrohre näher ansieht, oder mit dem Finger durchwischt: "Huch, da drin ists ja auch schwarz - hoffentlich hats keiner gemerkt . . ."

Dieselfahrer haben einfach nur das Pech, daß ein Teil der Abgase ihrer Motoren manchmal (nämlich bei hoher Last) auch in der Luft sichtbar ist.
Daher sind sie das derzeit naheliegendste Ziel der Politik, wenn es darum geht, wieder auf breiter Front etwas für die Umwelt zu tun, und dabei wie üblich abzukassieren.

So ist der Dieselmotor wieder einmal auf dem Weg zum Schafott: Der Motor, der seit jeher in Nutzfahrzeugen u.a. wegen seiner überlegenen Kraftstoffausnutzung und Wirtschaftlichkeit bevorzugt wurde und auch die Flottenverbräuche im PKW-Bereich deutlich senkt, wird durch umweltpolitische Polemik diffamiert und in der öffentlichen Diskussion trotz seines lächerlich geringen Beitrags zur gesamten Feinstaubmenge als alleiniger Sündenbock gebrandmarkt.
Um also das Problem von 100 auf bestenfalls 95% zu reduzieren, werden Millionen von Diesel-PKW mit Filtern ausgestattet werden, die in jeden Fall 2 Wirkungen haben werden:
1. Zurückhalten der vermutlich weniger gesundheitsschädlichen, größeren Rußpartikel
2. Erhöhung des Verbrauchs durch den filterbedingten Abgasgegendruck und (bei Neufahrzeugen mit DPF) Nacheinspritzungen zum Freibrennen des Filters.

Insgesamt wird durch die aktuelle Rußfilter-Diskussion wieder einmal ein gigantisches Geschäft auf dem Rücken der Dieselfahrer eingeläutet, welches das als Begründung vorgeschobene Feinstaub-Problem nur minimal verringern, aber dem Staat einen Menge Geld in die Kassen spülen wird:

Durch die Mehrwertsteuer auf Nachrüstfilter und die erhöhten Neuwagenpreise, durch die Mineralöl- und Mehrwertsteuer auf den Mehrverbrauch der Fahrzeuge mit Filter, durch vermutlich kommende Erhöhungen der Kfz-Steuer für Fahrzeuge ohne Filter, und durch kleinere Posten wie Steuern auf Folgereparaturen usw.
Das deutsche Autofahrervolk wird es freilich in alter Gewohnheit über sich ergehen lassen.

Wenn die entsprechenden Verordnungen fertiggestellt sind, wird die Politik der Öffentlichkeit einen weiteren großartigen Sieg im Feldzug gegen die Umweltverschmutzung verkünden.
Daß man mit den Diesel-PKW bzw. ihren Besitzern wieder einmal nur einen wehrlosen Kleinschädling erwischt hat, anstatt die eigentlichen Ungeheuer (Industrie und Privathaushalte, siehe oben) unschädlich zu machen, wird verschwiegen werden.
Und wenn etwas später der größte Teil der Diesel-PKW mit Rußfiltern unterwegs ist, werden die praktisch unverändert hohen Feinstaubkonzentrationen die Öffentlichkeit nicht mehr sonderlich aufrütteln, oder sie werden gleich totgeschwiegen - denn mit der Ausmerzung des besagten Kleinschädlinges ist ja wohl alles Menschenmögliche getan worden, oder etwa nicht?
Warum die Luft trotzdem noch so dreckig ist, kann sich dann niemand mehr erklären . . . und wenn sich zuviele Umweltschützer darüber aufregen sollten, werden vermutlich ein paar schlaue Leute zur Beruhigung des Volkes erklären, daß die EU-Richtlinien möglicherweise doch etwas unrealistisch und überzogen sind - nachdem das große Filtergeschäft mit den Dieselfahrern gelaufen ist und der Durchschnittsverbrauch ihrer Wagen zum Wohle der Staatskasse deutlich erhöht wurde.

Als einigermaßen geschickt kann übrigens die aktuelle Anprangerung nur der Dieselfahrer angesehen werden, welche nicht nur jedesmal an der Tankstelle über Verbrauch und Spritkosten der (meisten) Benziner lächeln können, sonder als Besitzer moderner Turbodiesel im Alltag dank sattem Drehmoment auch mehr Fahrspaß haben als die meisten Benzinerfahrer.
Daher dürfte bei der Benzinerfraktion trotz ihrer Steuervorteile usw. zumindest teilweise ein gewisses Neidpotential bestehen, das sie nun schadenfroh zurückgelehnt die Hetze gegen die Diesel betrachten läßt.
So haben die Umwelt-Polemiker von vorneherein "die eine Hälfte" der Autofahrer (nämlich die von der Feinstaubdiskussion nicht betroffenen) auf ihrer Seite und nutzen damit die uralte Erkenntnis aus, daß man einen zerstrittenen Gegner leichter in den Griff bekommt.

Aber die Benzinerfahrer sollten sich nicht zu früh freuen: Wenn genug Dieselfahrer von der Umwelt-Abzocke die Nase voll haben und durch Umsteigen den nächsten Benzinerboom einläuten, werden Politiker plötzlich z.B. die höchst krebserregende Wirkung von Benzol bemerken, das Benziner bisher ungestraft in die Umwelt blasen dürfen, oder den feinen Benziner-Ruß auf Korn nehmen...

Update 23.04.2020:
AvD.de hat folgendes geschrieben:
Obwohl die Corona-Pandemie bundesweit zu einem immensen Rückgang der Verkehrsdichte auf den Straßen geführt hat, zeigen die stationären Einrichtungen zur Schadstoffmessung keine Effekte auf die Luftqualität. Messstationen unter anderem in Kiel, Würzburg, Mainz, Wiesbaden und Stuttgart zeigen eindeutige Ergebnisse. Die Theorie, der motorisierte Straßenverkehr sei Hauptursache für die Schadstoffbelastung der Luft in den Städten ist damit widerlegt. Fahrverbote zur Luftreinhaltung sind unwirksam.


Weitere Links:
https://www.avd.de/presse/detailansicht/news/schluss-mit-den-fahrverboten-1/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=e5882b2806933a27c5a695fabeb8fb00

Autoren: Bertil und Ulf (Link + Kleinigkeiten aktualisiert von Rainer)



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 Dieselpartikelfilter
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Gruß Ulf
_________

Polo 6R CDLJ / PNU
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