Mal als Argumentationshilfe: Auf Bundesstrassen hat der Bund das letzte Wort. Wenn die Gemeinde dort irgendwas baulich oder an der Beschilderung aendern will, dann darf sie freundlich fragen. Bei Kreisstrassen ist es aehnlich, kann jedoch durch Kreisrecht bereits auf Kommunalebene herabdelegiert worden sein. Das tat man selten zugunsten basisnaeherer Entscheidungskompetenz sondern mit dem Hintergedanken der Kostenabwaelzung vom Kreis auf die Kommunen. Ist bei uns sehr beliebt. Gemeindeeigene Strassen koennen unter Beachtung geltenden Rechts relativ beliebig in Kategorien verschoben und nach Wunsch und Willen der Gemeindeoberhaeupter auch willkuerlich umgebaut werden. Natuerlich alles auf Kosten der Anwohner. Die Gemeindesatzungen geben die Kostenverteilung vor, ueblich sind zwischen 50 und 0 % Beteiligung der Gemeinde, bei uns sind es 20 %.
Versuche den Hintergrund herauszufinden! Nach EU-Recht haben Anwohner inzwischen starke Rechte bekommen, die ihnen ermoeglichen, von ihrer Gemeinde die Aufstellung eines Laermschutz- und Luftreinhalteplans zu fordern. In diesem Plan muss die Gemeinde erklaeren, welche Massnahmen sie wo zu treffen gedenkt und welche Ziele sie sich selbst damit setzt. Diese Plaene und die Erreichung der darin definierten Ergebnisse sind uebrigens einklagbar!
Die meisten Gemeinden haben inzwischen solche Plaene. Meine Grossgemeinde fing 2008 mit der Planfindung an und hat diese in diesem Fruehjahr tatsaechlich schon veroeffentlicht.
Darin versucht man den Mittelweg zu finden, sich einerseits keine Untaetigkeit vorwerfen zu lassen und andererseits keine unerreichbaren Ziele aufzustellen. Beides bietet naemlich fuer Anwohner ungeahnte Klagemoeglichkeiten einschliesslich bislang nicht absehbarer Schadenersatzforderungen. In meinem Ortsteil ging es vergleichsweise einfach, die Hauptverkehrsader ist eine Bundesstrasse. Zwischen den Ortsteilen gibt es z. T. auch unbewohnte Abschnitte, die rein optisch betrachtet "ausserorts" erscheinen, es tatsaechlich aber nicht sind. Diese Abschnitte sind seit ca. 2 Jahren durchweg auf 70 beschildert, innerorts gilt mit wenigen Ausnahmen Tempo 50. Daran will die Gemeinde tagsueber nicht viel aendern. Tempo 30 gilt nur in wenigen Bereichen tags, es gibt es im Bereich von Schulen bzw. am Gymnasium Tempo 30 zwischen 6 und 17 bzw. 18 Uhr.
Im Luftreinhalteplan hat sich meine Grossgemeinde sehr wenig festlegen lassen wollen. Man hat die Bundesstrasse als eine Hauptverkehrsader zwischen Berlin und der Ostseekueste beschrieben. Hier gibt die Gemeinde eine hohe Verkehrsbelastung ganztags und an jedem Wochentag an, die von den Anwohnern schlicht hinzunehmen ist.
Der Laermschutzplan verankert sich ebenfalls an der Bundesstrasse, hier sind vergleichsweise hohe Geraeuschwerte zu den Hauptverkehrszeiten angegeben. Gut, denn dagegen koennen die Anwohner nicht klagen. Bereits getroffene Massnahmen zur Laermreduzierung sind in den Kartenanhaengen eingezeichnet. Beispielsweise gibt es seit einigen Jahren im Verlauf der Bundesstrasse keinerlei gepflasterte Abschnitte mehr. Die waren frueher in jedem Ortsteil ueblich und wurden teilweise fuer viel Geld in den 1990ern nochmal hochgenommen und neu verlegt. Anfang der 2000er fielen die letzten Denkmalschutzauflagen, die z. B. in meinem Ortsteil den alten Dorfkern umfassten, zugunsten einer flaechendeckenden Asphaltierung. Dort, wo die Haeuser besonders dicht an der Strasse stehen, wurde besonders leiser Asphalt aufgebracht. Der hat allerdings einen deutlich geringeren Reibwert, weshalb in kurvigen Abschnitten "Tempo 30 bei Naesse" beschildert wurde. Ist berechtigt, das Zeug wird leicht feucht ziemlich rutschig.
Neu in dem Laermschutzplan ist die Einfuehrung von Tempo 30 auf der Bundesstrasse zwischen 22 und 6 Uhr auf einigen Abschnitten, unsinnigerweise sind diese aber z. T. nur einige 100 m lang. Der Bund stimmte m. W. bereits zu. Definiert wurde in dem Plan allerdings auch, dass abseits von Hauptverkehrsadern gelegene Siedlungsgebiete (im Bebauungsplan "ueberwiegende Wohnbebauung") grundsaetzlich und rund um die Uhr zu Tempo 30-Zoenen erklaert wurden und vielfach auch zusaetzliche "bauliche Massnahmen die tatsaechlichen Fahrgeschwindigkeiten wirksam herabsetzen" sollen. Das sind in anderen Ortsteilen wechselseitig stehende Blumenkuebel auf den Fahrspuren, Aufpflasterungen (jedoch asphaltiert), kuenstliche Fahrbahneinengungen und zusaetzlich fast flaechendeckend "rechts vor links". Damit ist die Gemeinde der Ansicht, dauerhaft wirksame Massnahmen zur Verminderung der Schwere von Unfaellen (man benutzt das Wort "Unfallvermeidung" nicht!) sowie zur Laermreduzierung getroffen zu haben. Nach einer dem Laermschutzplan zugrundeliegenden Expertise bewirkt Tempo 30 statt 50 auf asphaltierten Strecken eine Geraeuschreduzierung zwischen 2 und 3 dB bei PKW und sogar bis zu 4 dB bei LKW und Bussen. Gegen diese Argumentation ist fast nicht anzukommen, das Recht auf eben diese Reduzierung koennen sich die Anwohner nach EU-Vorgabe zumindest nachts einklagen.
Bitte seht ueber den Umfang meines Beitrags hinweg. Ulf, dir koennte ich den Laermschutzplan meiner Gemeinde in der pressefreien Version per Mail zukommen lassen.