Hallo,
es soll Leute geben, die nach einem Besuch beim Chiptuner nicht schon mit dem gefühlten Grinsen im Popometer zufrieden sind, sondern auch wissen möchten, wie viel mehr ihr Motor nun ungefähr leistet, bzw. ob der vom Tuner versprochene Kraftgewinn in etwa wirklich erreicht wurde.
Kraft kommt von Kraftstoff. Daher kann man beim Diesel anhand der Anhebung der Einspritzmenge gegenüber der Seriensoftware abschätzen, wieviel mehr-Nm und PS der Tuner mobilisiert hat - solange der Motor nicht so rußt daß ein erheblicher Teil der Einspritzmenge in Landschaftsverdunkelung statt Motor-Nutzleistung umgesetzt wird, und der Motorwirkungsgrad nicht übermäßig gefallen ist, z.B. durch nach spät verlegte Vollgas-Förderbeginne (alles schon dagewesen) oder ähnliche Kunstfehler.
Bei den verbreiteten PD-TDIs kann man die Einspritzmenge in den Diagnosedaten sehen und loggen. Leider liefert die aber nicht unbedingt zuverlässige Daten, weil viele Tuner die Mengenkalibrierung der PDE verändern. Daher muß eine Anhebung der Mengendaten z.B. um 15% im MWB 1 nicht unbedingt eine reale Mehr-Einspritzmenge von 15% bedeuten.
Aber es gibt einen Diagnosewert, wo das MSG hinsichtlich der Einspritzmenge die Hosen runterlässt: nämlich die Förderdauer (zu sehen im MWB 1 und 4).
Zwar kann man die Förderdauer wegen der Einflüsse von Drehzahl und Dieseltemperatur nicht griffig in Nm oder PS umrechnen, aber im Vergleich zur Seriensoftware lässt sich anhand von Vollgas-Logdaten eines gut warmgefahrenen (damit die Dieseltemperaturkompensation der Förderdauer keine falschen Eindrücke erzeugt) getunten Motors durchaus abschätzen, wie viel Mehr-Einspritzmenge der Tuner wirklich draufgelegt hat.
Der Anhang zeigt ein Praxisbeispiel: Logdaten eines gechippten BLT (1,9l PD 130 PS EU4 im Polo 9N).
Die Logfahrten erfolgten auf ca. 50 m Ortshöhe bei ca. 1011 mbar Ortsdruck und ca. 18°C Außentemperatur – also keine Bedingungen, unter denen vorweg eine Leistungsreduzierung seitens der Motorsoftware zu erwarten wäre.
Im oberen Diagramm sind über die Drehzahl eingetragen:
a) Förderdauerverlauf der Seriensoftware (BLT, grün)
b) Förderdauerverlauf eines Werksmotors mit gleicher PDE-Größe und 150 PS (BTB im Sharan, gelb) als Orientierung zum nötigen Förderdauer-Zuschlag für +20PS
c) Förderdauer-Logdaten des gechippten BLT (rote Punkte).
Die Logdaten sind aus mehreren Vollgasbeschleunigungen gesammelt. Unterhalb 2000 rpm streuen die Werte deutlich, weil der Fahrer nicht immer bei der gleichen Drehzahl Vollgas gegeben hat.
Wirkungsgradrelevante Eingriffe des Tuners (die aus einer bestimmten Einspritzmenge mehr PS erzeugen könnten als sonst üblich) sind nicht erkennbar, so entspricht z.B. der geloggte Förderbeginn exakt dem Verlauf der beiden Seriensoftwares (hellblau).
Leider läßt die systembedingte Abstufung der Förderdauer-Winkeldaten nur Pmax-Unterscheidungen von ca. 3,3 PS zu. Dennoch lässt sich anhand des Bildes ohne weiteres erkennen, dass der gechippte Motor im Pmax-Bereich um 4000 rpm ziemlich genau auf dem Niveau des 150PS-Werksmotors liegt. Der größte Kraftgewinn wird ca. im Bereich 2700 bis 3700 rpm erreicht, erkennbar am unterschiedlichen Verlauf von grüner Linie und roten Punkten.
Berücksichtigt man den drehzahlabhängigen Zusammenhang zwischen Förderdauer und Drehmoment, dann zeigt der Förderdauerdauerverlauf dieser Tuningsoftware im Vergleich zu den 130 und 150PS Werksmotoren eine Pmax von ca. 147 "VW-PS" bei ca. 3800 rpm. Gegenüber der Seriensoftware ist das ein Leistungszuwachs von ca. 17 PS.
Kennt nun jemand ein Chiptuning-Angebot mit 147PS für die 130PS-VAG-TDIs? Wohl kaum. Und auch diese Tuningsoftware wurde laut Fahrzeugbesitzer mit einer etwas anderen Pmax-Angabe verkauft, nämlich 168PS.
In der Zahlenwelt normal denkender Verbraucher suggeriert der Tuner damit einen Gewinn von 38PS gegenüber der 130PS-Basis, aber er liefert nur einen realen Gewinn von ca. 17PS.
Somit bleiben rund 55% des Tuner-Versprechens unerfüllt, bzw. 1 versprochenes Tuner-Mehr-PS entspricht ca. 0,45 echten PS. Da fällt es auch nicht mehr ins Gewicht, dass die motorischen Wirkungsgradverluste (wegen der für die Tuningleistung eigentlich zu kleinen Turbine des Serienladers) die oben ermittelten ca. 147PS noch ein wenig weiter nach unten drücken.
Es gibt noch eine Motorgruppe mit verschiedenen OEM-Leistungssstufen bei gleicher PDE-Größe: ASZ, ARL und BPX mit 310 / 320 / 330 Nm und 130 / 150 / 160 PS. Deren Förderdauerverläufe sind unten im Anhang aus den Seriensoftwares berechnet (beachte den Pmax-Punkt des BPX bei 3750 rpm statt 4000 rpm bei ASZ und ARL!).
Besitzer gechippter ASZ können damit im Vergleich zu ihren eigenen Förderdauer-Logdaten abschätzen, wo die Leistungskurve ihres Motors im Vergleich zu ARL und BPX ungefähr verläuft (mit einem leichten Abschlag im Pmax-Bereich für den ASZ-Serienlader gegenüber dem GT1749VB von ARL und BPX) – wie gesagt solange der Motor nicht abartig rußt, und der Förderbeginn gegenüber der Serie nicht stark (mehr als ca. 2° KW) verändert ist.
Dem Zusammenhang von Förderdauer und Einspritzmenge entkommt man übrigens auch nicht mit Pseudotricks wie einer veränderten mechanischen Justage der PDE im UT, die gelegentlich von Tunern als Geheimtip genannt wird.
Wenn sich über diesen einfachen Weg auch nur ein paar reproduzierbare Mehr-Nm oder PS erzeugen ließen, dann könnte man es nach über 10 Jahren seit Einführung der PD-Motoren sicherlich in jedem Forum lesen, wo diese Motoren ein Thema sind . . .
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Gruß Ulf
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Polo 6R CDLJ / PNU
Zuletzt bearbeitet am 17-11-2012, 12:48, insgesamt 3-mal bearbeitet.
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